Feuerlauf für Sekundaria und Eltern
Schule: Lernwerkstatt im Wasserschloss
KoordinatorIn: Lülik MariaDirektorIn: Tinhofer-Sonntag Ulrike
Inhalt
Wie sich ein zündender Funke bei gutem Wind in einen wahren Feuerlauf verwandeln kann.Erzählt von Reinhard Kraus (Vater von drei Kindern in der Lernwerkstatt)
"Wie sieht’s aus, Reini, hast Lust dich mit ein paar Leuten zu treffen, um eine gemeinschaftsfördernde Aktion in der Sekundaria zu organisieren?“ So oder so ähnlich lautete der Aufruf eines befreundeten Vaters an einem sonnigen Istrien-Vormittag bei unserer einwöchigen Klausur. Bald darauf traf sich eine Gruppe engagierter Sekundaria-Eltern, um zu beratschlagen, wie sie ihre Kinder im Gruppenfindungsprozess des anstehenden Schuljahres unterstützen können. Dabei wurde sehr rasch klar, dass es zwei sensible Übergangsphasen ins Sekundaria-Dasein gibt, die für manche durchaus größere Hürden darstellen können.
Der erste Übergang beginnt im Alter von 12 Jahren, ab dem den Kindern in der Lernwerkstatt offen steht, die Sekundaria-Räumlichkeiten zu nutzen. Der zweite Übergang stellt die Integration der Jugendlichen in die sogenannte Sekundaria-Kerngruppe dar.
Aus der Vergangenheit wussten wir, dass die Bildung einer „arbeitsfähigen“ Sekundaria zu einem langwierigen Prozess führen kann, da damit einige Anforderungen an die Jugendlichen verknüpft sind und das soziale Gefüge innerhalb der Gruppe natürlich nicht immer reibungsfrei funktioniert.
Letzteres kam dann auch gleich ganz offen zu Tage, als wir einige Jugendliche zu einer der Besprechungen in Istrien eingeladen haben. „Wenn ich mit dem was Gemeinsames machen muss, dann bin ich sicher nicht dabei!“ Diese und noch deutlich schärfere Aussagen zeigen wie die Befindlichkeit zwischen manchen Jugendlichen aussehen kann.
Als wesentlich erachteten wir, dass zu der geplanten Veranstaltung auch die Eltern eingeladen werden. In einer Schule wie der Lernwerkstatt, in der die sozialen Beziehungen untereinander eine so große Bedeutung haben, kann eine gemeinschaftsbildende Aktion für die Sekundaria nicht losgelöst von den Beziehungen zwischen den Jugendlichen und ihren Eltern und auch den Beziehungen zwischen den Eltern untereinander betrachtet werden.
Nach dem Gespräch mit den Jugendlichen war auch ganz klar, dass es bei der Aktion um eine wirkliche Herausforderung gehen muss - für die Jugendlichen und für die Eltern! Nun ja, mit welcher Veranstaltung konnten wir der Anforderung gerecht werden? Einer der Reichtümer der großen Lernwerkstatt-Familie ist der, dass es für beinahe jede Nachfrage auch einen Anbieter gibt. Und so war es sicher nicht Zufall, dass sich gerade Martin Crillovich in Istrien befand, ein Ex-LWS-Vater und erfahrener Begleiter von bewusstseinsbildenden Prozessen. Und das bedeutete, unsere Aktion wird ein Feuerlauf.
Im Plenum vorgestellt, erzeugte das Vorhaben große Resonanz unter den Eltern. Die Jugendlichen gaben sich dagegen betont cool, aber man merkte, wie die Spannung zunehmend stieg, nachdem wir Eltern beschlossen hatten, die Sache notfalls auch ohne die Beteiligung der Jugendlichen durchzuziehen.
Wieder nach Österreich zurückgekehrt gelang es innerhalb kürzester Zeit den geeigneten Ort für die Aktion zu finden – den Wachtberg bei Gars am Kamp. Dort wird von Helene und Dieter Graf ein Seminarhaus betrieben, mit einem Gelände rundum, voll mit Kunstobjekten in der Natur – ein Ort, an dem der Funken, der in Istrien entstand mit Sicherheit zum Glühen gebracht werden kann.
Mitte Oktober – keine zwei Monate nach Geburt der Idee - war es dann soweit. Rund 50 Leute besiedelten den Wachtberg mit Zelt und Wohnwagen und ließen die sommerliche Energie von Istrien im herbstlichen Waldviertel wiederaufleben.
Am Freitag Abend wurde gleich mit einer Redestabrunde gestartet. Seine persönliche Befindlichkeit vor 50 Leuten auszubreiten, dazu gehört auch Mut. Dann ins Gelände, Hand in Hand mit geschlossenen Augen. Ein(e) jede(r) führt einmal die ganze Gruppe – eine Vertrauenssache. Am nächsten Tag wunderbares Spätsommerwetter, wir haben es uns verdient. Ein martialischer Tanz mit Atemübungen zur Einstimmung auf das, was uns am Abend erwartet. Die Feuerstelle vorbereiten – in der Großgruppe ein Leichtes. Am Nachmittag ab in die Natur – jeder für sich, allein.
Für was oder für wen gehe ich ins Feuer? Die Natur bietet Antworten.
Als dann am Abend das Feuer entzündet wurde, war allen klar, dass der Feuerlauf ein mächtiges Ritual sein wird. Feuer und Trommeln regten uns zu einem archaisch-ausgelassenen Tanz um den Feuerplatz an.
Martin hat uns behutsam und mit viel Feingefühl auf den Punkt X vorbereitet – den Schritt ins Feuer, den sich wohl kaum einer im Vorfeld wirklich vorstellen konnte.
Dieser Schritt ist mir persönlich dann überraschend leicht gefallen. Die enorme Kraft des Kreises von 50 Menschen, die auf das zentrale Feuer fokussiert waren, war deutlich zu spüren. Wunderbar war das Gefühl empfangen zu werden am Ende des Glutteppichs – von Menschen, die einem nahestehen. Tiefe Verbundenheit und wahre Lebensfreude.
Am nächsten Tag – die Reflexion: das gemeinsam Erfahrene teilen. Redestabrunden in kleinen Menschenkreisen, wo sich Jugendliche und Erwachsene bunt durchmischten. Und Gespräche auf gleicher Augenhöhe – zwischen Jung und Alt, nie habe ich das in der Art vorher schon erlebt. Erzählungen von der Kraft des ersten Schrittes ins Unbekannte.
Ob es nun im Nachhinein betrachtet den Zweck erfüllt und die Schwellen für die Sekundaria-Jugendlichen erleichtert hat, ist wohl nicht so leicht zu beantworten. Das Bewusstsein, den Schritt ins Feuer gewagt zu haben, wird uns aber immer gewahr sein. Ein unglaublich kraftvolles Wochenende der Gemeinschaft war es allemal und viele spürten die Energie des Feuers noch tagelang ganz kräftig in ihren Herzen.
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