Qualitätskriterien
Partizipation
Grundprinzipien
Die Vorstellung von Partizipation ist sehr eng verbunden mit dem Ideal der Demokratie. Partizipation bedeutet sich zu beteiligen, Verantwortung zu übernehmen und in gemeinsame Handlungen eingebunden zu sein – alles Dinge, die Schüler/-innen helfen, sich innerhalb der elementaren Strukturen des sozialen Lebens vorzubereiten. Partizipation ist jedoch keine einfache und „angeborene“ Angelegenheit – sie hängt von den Fertigkeiten und Fähigkeiten der Schüler/innen in der Praxis ab, entlang von Bedingungen wie: Schulkultur, Unterrichtsklima, dem spezifischen Unterrichtsthema und den Fähigkeiten der Lehrer/-innen. Demzufolge ist es eine zentrale Herausforderung für Lehrer/-innen, Raum für die Fähigkeiten der Schüler/-innen, sich substanziell zu beteiligen, zu schaffen und diese zu verbessern. Anderen Standpunkten zuzuhören und eigene auszudrücken, Verantwortung zu übernehmen und Einfluss auszuüben sind Dinge, die gelernt werden müssen.
Unter dem Gesichtspunkt des Lernens gesehen, spielt Partizipation eine beachtliche Rolle, weil es die Schüler/-innen in den Mittelpunkt des Lernprozesses stellt. Die Schüler/-innen steuern ihren Lernprozess zum Teil selbst. Dies treibt die Motivation voran, zu diskutieren, Lösungen zu finden und in einem sozialen Kontext zu handeln. Zudem ist Schüler-Partizipation zentral, weil der Unterrichts- und Lernprozess sich dadurch mit ihrem Leben und ihrer Zukunft befasst und ihr Leben und ihre Zukunft berührt. Das heißt jedoch nicht, dass die Schüler/-innen alles über das Projekt entscheiden. Der wichtige Punkt ist, Raum für Entscheidungsmöglichkeiten zu schaffen, damit Schüler/-innen sich auf dem höchsten Niveau ihrer Fähigkeiten beteiligen können. Lehrer/-innen sind jedoch nach wie vor für die Qualität des gesamten Lernprozesses verantwortlich.
Qualitätskriterien im Bereich Partizipation
- Lehrer/-innen setzen einen Schwerpunkt auf die Entwicklung von Fähigkeiten der Schüler/-innen, die sie für eine sinnvolle Partizipation und Kooperation benötigen, z.B. zuhören, Standpunkte zum Ausdruck bringen, Verantwortung übernehmen und Solidarität zeigen können.
- Lehrer/-innen geben Schüler/-innen Raum, um ihrem Alter und ihren Fähigkeiten gemäß am Entscheidungsprozess teilzunehmen.
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Literatur: 9x Partizipation - Praxisbeispiele aus der Schule(Posch, P. und das ENSI-LehrerInnen-Team, Verlag Ueberreuter; Wien, 2006) ISBN 978-3-8000-5339-1 Gestaltungskompetenz, Selbstständigkeit und nachhaltige Wert-vorstellungen sind in den letzten Jahren wichtige Ziele der Schule geworden. Eine wesentliche Voraussetzung dafür, die Beteiligung von SchülerInnen an der Gestaltung des Lehrens und Lernens und des schulischen Umfelds ist hingegen noch kaum über isolierte Versuche an einzelnen Schulen hinausgekommen. Im Rahmen des internationalen Projekts Umwelt und Schulinitiativen (ENSI) wurden neun explorative Studien zum selbstregulierten partizipativen Lernen ausgearbeitet, um Einblick in einschlägige Erfahrungen von LehrerInnen und SchulleiterInnen zu gewinnen. Die Studien beschäftigen sich vor allem mit Partizipation im regulären Unterricht und im Rahmen von Projekten, die über den Fachunterricht hinausgehen. Im Buch werden die neun Fallstudien vorgestellt und in einer vergleichenden Analyse anhand ausgewählter Gesichtspunkte untersucht. Im Rahmen der vergleichenden Analyse erfolgt auch eine theoretische Einführung in die Thematik.
Kritisches Denken
Grundprinzipien
Jeden Tag sind Schüler/-innen einer überwältigenden Menge an Informationen ausgesetzt – Informationen, die komplex, voller Ungewissheit, oft widersprüchlich und selten neutral in Hinblick auf Werte und politische Denkrichtungen sind. Das hat zur Folge, dass Wissen kein objektives Phänomen ist, das aus allen Perspektiven und zu jeder Zeit konstant ist.
Um aktive und verantwortliche Bürger/-innen zu werden, müssen die Schüler/innen deshalb fähig sein, selbstständig zu denken, nicht alle Informationen und Argumente als sicher anzunehmen, sondern stattdessen über sie nachzudenken und die den Annahmen zugrunde liegenden Wissensbehauptungen, Meinungen und Betrachtungsweisen zu beachten.
Auf der anderen Seite wird durch die Verbindung aus kritischem Denken und der Sprache der Möglichkeiten betont, dass ein kritischer Mensch zu sein ganz und gar nicht bedeutet allem gegenüber negativ oder skeptisch eingestellt zu sein oder das alles als deterministisch anzusehen. Ein kritischer Denker ist kein „Niemand“, aber ein Mensch, der sich bemüht, den kritischen Prozess der Reflexion und Untersuchung mit einer einfühlenden und optimistischen Vision von Potentialen und mit der Suche nach Lösungen in eine positive Richtung zu verbinden. Die Sprache der Möglichkeiten unterstreicht, dass der kritische Denker nicht nach Grenzen und Beschränkungen sucht, sondern in einer kreativen und aufgeschlossenen Weise nach Wegen sucht und von Wegen inspiriert wird, die für andere erfolgreich und fruchtbar gewesen sind – in anderen Kulturen, in anderen Epochen und in anderen Situationen.
Durch die Fokussierung nicht nur darauf, was „falsch“ sein könnte, sondern auch darauf was „richtig“ sein könnte, gibt kritisches Denken gekoppelt mit der Sprache der Möglichkeit Menschen persönliche und kollektive Fähigkeiten zur Neugestaltung von Zukunft. Sie weisen auf eine neue Vision hin, die so sehr gebraucht wird, wenn man auf eine nachhaltige Entwicklung zielt.
Qualitätskriterien im Bereich „Kritisches Denken und der Sprache der Möglichkeiten“
- Schüler/-innen beschäftigen sich mit Machtbeziehungen und widerstreitenden Interessen z.B. in der örtlichen Situation, zwischen Ländern, zwischen heutigen und zukünftigen Generationen.
- Schüler/-innen werden unterstützt, Dinge aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, sich mit anderen zu identifizieren und dadurch Einfühlungsvermögen zu entwickeln.
- Schüler/-innen werden unterstützt, nach Beispielen dafür zu suchen, was in anderen Situation nützlich und fruchtbar ist (oder war), damit sie sich neue Möglichkeiten und Handlungsalternativen vorstellen können.
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Klärung von Werten
Grundprinzipien
Werte sind ein wichtiger Teil der Kultur der Komplexität und des Aufbaues eines kritischen Denkens. BNE ist explizit auf Werte und Rationalität gegründet. Ihre wichtigste Botschaft ist: Wenn wir den Wert - Respekt vor der Verschiedenheit der Menschen - teilen, dann müssen wir diesen Wert leben, indem wir die Existenz anderer Werte akzeptieren.
Werte können weder einfach übertragen noch einfach verändert werden. Untersuchungen zeigen, dass eine kurzfristige Veränderung im Verhalten nicht mit dem Wachstum langfristig orientierter Werte einhergeht. Um bestehende Werte überwinden zu können und neue aufzubauen, ist die erste Herausforderung, sich bewusst zu machen, auf welchen Werten Menschen ihr Alltagsleben aufbauen. In unserer Gesellschaft sind die „erklärten“ Werte oft verschieden von den Werten, die den Handlungen zu Grunde liegen, weil sie mit den Interessen der betroffenen Person vermischt sind. In vielen Fällen werden Werte als begründete Meinungen, Entscheidungen, Tatsachen oder notwendige Folgen dargestellt.
Die Rolle von Lehrer/-innen im Prozess der Klärung und Entwicklung von Werten ist schwierig. Auf der einen Seite muss er oder sie persönliche Werte klären und explizit machen. Auf der anderen Seite muss er oder sie die Werte der Schüler/innen respektieren.
Qualitätskriterien im Bereich Klärung und Entwicklung von Werten
- Schüler/-innen beschäftigen sich mit der Unterscheidung von faktischem Wissen und Werten. Sie prüfen die Werte und die Interessen, die mit ihnen verbunden sind.
- Lehrer/-innen stellen die Klärung der Werte der Schüler/-innen und die Diskussion ihrer eigenen Werte in den Mittelpunkt. Sie stärken dabei die Reflexion, den gegenseitigen Respekt und das Verständnis von anderen Werten.
- Lehrer/-innen nehmen die Herausforderung an, nicht ihre eigenen Werte und Meinungen durchzusetzen, indem sie den Schüler/-innen erlauben, an ihrem eigenen Standpunkten festzuhalten.
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Zukunftsperspektiven
Grundprinzipien
Die Entwicklung der Gesellschaft kommt den Schüler/-innen nicht in den Sinn wenn ihnen nicht geholfen wird, den Blick darauf zu richten und den Prozess der gesellschaftlichen Entwicklung zu verstehen. In machen Kulturen konzentrieren sich Schüler/-innen gewöhnlich auf ihre eigene Entwicklung und die der Gleichaltrigen und erleben die umgebende Gesellschaft und die Umwelt eher als statisch. In anderen Kulturen sind die Unsicherheit und der Mangel an Stabilität so groß, dass die Schüler/-innen glauben, es mache keinen Sinn, sich um die Zukunft zu kümmern.
„Die Zukunft beginnt jede Sekunde“ und „unsere Zukunft wird beeinflusst durch das, was wir und andere tun“ – dies sind die Ausgangspunkte um die Fragen der Entwicklung zu betrachten. Ein anderer ist zurück zu schauen und herauszufinden, was die Veränderungen, die wir schon kennen, und die Bedingungen, unter denen wir heute leben, geformt hat. Wenn wir in die Zukunft schauen, sollten wir „Entwicklung“ nicht nur als eine vorher bestimmte Richtung ansehen, sondern die vielen Wahlmöglichkeiten für Entscheidungen und alternative Lösungen mit Nachdruck betonen. Ohne das Verständnis, dass es nicht nur eine Zukunft gibt, sondern Zukunft verschiedene Möglichkeiten beinhaltet, bleibt kein Raum für Demokratie übrig. Demokratie baut auf der Idee, dass wir gemeinsam die Zukunft gestalten, die wir wünschen. Alle Entscheidungen und Veränderungen haben kurz- und langfristige Auswirkungen auf die Zukunft. Dies vorherzusehen und sich zu entscheiden, welches die eher erwünschten Auswirkungen sind, hilft Schüler/-innen sich aktiv mit der Gestaltung der Zukunft der Gesellschaft und der Bedingungen ihres täglichen Lebens auseinander zu setzen. Zu akzeptieren, dass es unmöglich ist, Risiko und Unsicherheit auszuschließen, ist Teil dieses Verstehens, zusammen mit der Fähigkeit, aus der Vergangenheit und begangenen Fehlern zu lernen.
Qualitätskriterien im Bereich Zukunftsperspektiven
- Schüler/-innen arbeiten mit Visionen und Szenarien, um alternative Wege für die Entwicklung und Veränderungen für die Zukunft zu suchen und Kriterien für ihre Wahl aufzustellen.
- Schüler/-innen werden in das Vergleichen von kurzfristigen und langfristigen Wirkungen von Entscheidungen und Alternativen eingebunden.
- Schüler/-innen suchen Beziehungen zwischen der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft, um ein historisches Verständnis der betreffenden Fragestellung zu bekommen.
- Schüler/-innen arbeiten mit Planungen, als einer Methode um Zukunftsrisiken zu vermindern und Ungewissheit zu akzeptieren.
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